Mitbringsel aus dem Reich der Phantasie
- zu den Arbeiten von Evelyn Kopp

Hereinspaziert, hereinspaziert! Treten Sie ein und erleben Sie eine Welt der Phantasie!
Lassen Sie sich entführen in die Fluchträume unserer Gesellschaft, in südliche Gefilde an die
„Koppa Cabana“, den Kunstraum „Kopp Medley“ oder ins Kino „Koppcorn“. Fliegen Sie mit dem
„Helikoppter“ gleich in den Wilden Westen zu „Sheriff Spingler und Cowboy Kopp“. Kommen Sie
mit Ihrer Familie in das neue „Naturkundemuseum Spingler-Kopp“.
Wo die Buchstaben K O P P erscheinen, werden Ihre Träume Realität!

Die Verführung ist die kommunikative Strategie in Evelyn Kopps künstlerischen Arbeiten.
Ein Kino in Form einer riesigen Popcorntüte verlockt zum Eintritt. Eine Hütte mit Hängematte
lädt zum Aufenthalt ein. Eine Galerie wird als Wildwestbar umgestaltet und das ausgeschenkte
Bier zieht neue Besucher an.
Evelyn Kopp schafft Erlebnisräume, in denen sie den Betrachter umgarnt und einfängt.
Die Lockungen richten sich an die Neugier, den Spieltrieb, die Gewohnheit. In der Hängematte
kann sich der Betrachter wie vorm heimischen Fernseher tummeln und Reiseeindrücke der
Künstlerin in Endlosschleife betrachten. Der Holz- und Tannenparcours ums „Naturkundemuseum
Spingler-Kopp“ verleitet zum Klettern und endet direkt im Ausstellungsraum. Der rote Vorhang, der
aus einer Holzhütte mit der Aufschrift „Dodge City Sex-Kabine“ heraus quillt, reizt zum Blick dahinter.
Und neben einem Pornofilm wird der Betrachter konfrontiert: mit Kunst.

Während die Galerieräume bei Evelyn Kopps Ausstellungen jeweils einem Moto folgen, hängen an
den Wänden der Ausstellungsräume thematisch entsprechende Wachsbilder der Künstlerin. So zeigt
die Serie „Planet WW“ Motive aus dem Wilden Westen – WW für Wilder Westen – und hängt in der
Ausstellung „Sheriff Spingler und Cowboy Kopp“. Technisch sind die „Malereien“ aus farbigen
Wachsschichten austauschbar: Das Titel gebende Objekt ist eingeritzt in den Wachsgrund und seine
Kontur wird mit farbiger Knetmasse befüllt. Die Wirkung ist jedoch je nach Thema sehr verschieden.
Wirkt beim Planet „WW: Bottomo“ die Wachsoberfläche wie eine Landkarte, aus der die Hüftkontur
eines sich duellierenden Cowboys herausblitzt, erscheint sie bei „WW: Moonshine“ als Blutspritzer
um die Umrisslinie eines Rinderschädels. Jede Arbeit erhält somit ihren eigenen Charakter, ihre
immanente Lesart. Sie wird unabhängig vom Ausstellungskontext zum autonomen Kunstwerk.

Konsequent steht am Ende des Besuchs der Koppschen Welt immer der Kauf - ein Bier zum Abkühlen
nach einigen heißen Minuten in der Sex-Kabine, eine Postkarte oder Tasse aus dem Museumsshop des
„Naturkundemuseums Spingler-Kopp“ oder besser gleich ein Wildwest-Breitwandformat in Wachs.
Ob große oder kleine Mitbringsel, für jeden Geldbeutel ist Kunst zu haben.

Doch wohin führt diese Art der Verführung? Was kann das Ziel sein, das die Künstlerin verfolgt?

Es ist kein Zufall, dass in den Titeln von Evelyn Kopps Werken oft die Buchstaben ihres Namens
auftauchen. Wo die Künstlerin denselben in der Bezeichnung von Gegenständen findet, beginnt
sie mit ihrer künstlerischen Arbeit. Eine recht individuelle Wirklichkeitsaneignung, beziehungsweise
eine narzisstische Projektion, bekommt der Betrachter also vorgeführt - gesiebt durch das engmaschige
Netz zwischen den Buchstaben K O P P. Wie beim Lesen eines Romans verlässt der von Evelyn Kopp
Verführte dabei seine vermeintliche Realität und betritt den koppschen Phantasieraum. Im Spannungsfeld
zwischen seiner Erfahrung und der Erfahrung der Künstlerin, die durch die thematischen Vorgaben immer
aufeinanderprallen, beginnt das ästhetische Erleben: Die koppsche Interpretation kollidiert mit der eigenen.
Die eigenen Ideen jagen die der Künstlerin. Die Assoziationen gehen auf Konfrontation. Eine Vielfalt von
Erkenntnissen, von Interpretationen und Argumenten ohne endgültigen Schlusspunkt fächert sich auf.
Wie auf Reisen ist es anstrengend, die Divergenz zu ertragen. Und wie auf Reisen nimmt man gerne eine
neue, bereichernde Erfahrung mit.

Vera Herzog
Kunsthistorikerin, München Juli 2008